Die Zukunft: Sekundärmaterialien
Ressourcen sind endlich – eine alte Wahrheit, die immer drängender in unser Bewusstsein rückt. Auch im 21. Jahrhundert sind die meisten natürlichen Ressourcen, die wir nutzen, Primärrohstoffe. Die Nachfrage nach Rohstoffen wird durch das weltweite Bevölkerungswachstum weiter zunehmen. Daher werden wir uns fragen müssen, wie wir entweder ressourceneffizienter werden oder stärker Sekundärrohstoffe nutzen. Sekundärrohstoffe stammen nicht von natürlichen Quellen – zumindest nicht unmittelbar. Sie werden durch Wiederaufbereitung der Primärrohstoffe gewonnen. Das heißt: Durch Recycling erhalten wir Sekundärrohstoffe und je mehr und besser wir recyceln, desto mehr Sekundärrohstoffe gewinnen wir.
Sekundärrohstoffe sind vor allem die bessere Option, weil ihre Umweltauswirkungen geringer sind. Sprechen wir von Sekundärrohstoffen, steht der Verpackungssektor besonders im Blickpunkt. Hier kommen vor allem im Lebensmittelbereich fast ausschließlich Primärrohstoffe zum Einsatz. Die EU-Kommission gibt vor, dass alle Kunststoffverpackungen bis 2030 wiederverwendbar oder recyclingfähig sein sollen. Denn nur wenn Verpackungen recyclingfähig sind, kann das Material wieder zu Sekundärmaterialien umgewandelt werden. Greiner Packaging hat sich noch ehrgeizigere Ziele gesetzt: 100 Prozent der Kunststoffverpackungen sollen bis 2025 wiederverwendbar, wiederverwertbar oder kompostierbar sein. Daneben haben wir uns zum Ziel gesetzt, dass 10 Prozent unseres Materialeinsatzes aus Rezyklaten stammen.
Mehr Sekundärmaterialien statt Primärrohstoffe
Hospicycle –Krankenhausabfälle zu wertvollen Rezyklaten machen
Unsere Produktion von Kunststoffverpackungen ist besonders von der Entwicklung hin zu mehr Rezyklaten betroffen. Die Kolleg*innen in der Greiner Packaging entwickeln, testen und forschen deswegen intensiv an Alternativen für die derzeitig verwendeten Ausgangsrohstoffe, um einen höheren Anteil an Recyclingmaterial bei der Produktion einsetzen zu können. Ein konkretes Beispiel für die Suche nach neuen Lösungen ist unser Projekt Hospicycle. Verpackungen von Verbrauchsmaterialien (z.B. Salzlösungen, flüssige Nahrungsmittel) oder Laborbedarf in Krankenhäusern weisen nur eine geringe Variation bei den verwendeten Materialien auf (meist PP/PE oder PET). Diese Produkte sind selten oder nie eingefärbt, sondern immer weiß/transparent und minimal dekoriert. Außerdem sind diese Materialien immer lebensmittelkonform. In Bezug auf ihre Eigenschaften wären sie somit perfekt geeignet für lebensmittelzugelassene Rezyklate aus einem mechanischen Recycling. Problematisch ist hier jedoch vor allem die Sammlung im medizinischen Umfeld.
Im Rahmen von Hospicycle sollen deswegen die Mengen der Verpackungsabfälle und die Orte, wo diese anfallen, erhoben werden. Neben der Bewertung der Rezyklierbarkeit möchte Hospicycle auch ein Logistikkonzept erarbeiten. Die Ergebnisse sollen auf weitere Krankenhäuser umgelegt werden und bei einer erfolgreichen Evaluierung zu einer Anmeldung bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) führen. Die Partner*innen in diesem sehr ambitionierten Projekt sind neben Greiner u.a. der Kunststoffcluster Oberösterreich, die oberösterreichische Gesundheitsholding, Walter Kunststoffe und Altstoff Recycling Austria (ARA).
Unser Einkauf von Materialien kann in fünf Materialgruppen eingeteilt werden und macht rund 40 Prozent des gesamten Einkaufvolumen aus. Neben Rohstoffen kaufen wir auch Halbfertig- und Fertigprodukte ein. Derzeit arbeiten wir an der Verbesserung der Datenqualität und haben uns zum Ziel gesetzt, diese in den nächsten Berichtszyklus bis 2023 aufzunehmen.
Die Entwicklung unseres Gesamtmaterialverbrauches zeigt, dass dieser 2020 sprunghaft angestiegen ist. Dies liegt an der bereits weiter oben beschriebenen Übernahme der Eurofoam. Damit ist auch der starke Anstieg des Anteils von Chemikalien am Gesamtmaterialverbrauch zu begründen.
Einige unserer Produktionsprozesse erfordern den Einsatz von Chemikalien, die bei unsachgemäßer Verwendung negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben können. Die Verwendung solcher Chemikalien wird streng überwacht und durch entsprechende Vorschriften kontrolliert. Zudem wird in Österreich zur Sterilisation unserer Medizinprodukte ionisierte Strahlung eingesetzt. Sie wird entweder durch Elektronenbeschleuniger oder für Produkte hoher Dichte durch radioaktiven Zerfall des Isotops Cobalt-60 erzeugt. Der Einsatz ionisierender Strahlung ist in Österreich durch das Strahlenschutzgesetz und die Strahlenschutzverordnung geregelt. Die Einhaltung dieser Vorgaben wird durch die Behörden im Zuge jährlicher Kontrollen überprüft.
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2018 |
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2019 |
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2020 |
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Greiner |
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8% |
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9% |
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7% |
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Greiner Bio-One |
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1% |
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1% |
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0% |
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Greiner Packaging |
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7% |
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7% |
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7% |
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NEVEON |
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27% |
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38% |
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7% |
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Greiner Extrusion |
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0% |
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0% |
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0% |
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Einkaufsvolumen nach Materialgruppen
Gesamtmaterialverbrauch1
Die Produktion von Schaumstoffen in der NEVEON basiert auf dem Einkauf von Primärrohstoffen. Die Einbeziehung der Eurofoam hat daher zu einer Reduktion des Anteils von Sekundärmaterialien geführt.
Unser Bericht 2020 enthält zum ersten Mal Emissionsdaten aus unserer Wertschöpfungskette. Die folgende Grafik zeigt die Gesamtemissionen von Greiner in Höhe von 1.114.837 t CO2e, die durch die Beschaffung unserer Rohstoffe verursacht werden. Ein hoher Anteil der Emissionen in der Schaumstoffsparte NEVEON wird durch den umfangreichen Einsatz von Chemikalien verursacht.
Folgende Ziele haben wir uns in diesem Bereich für die nächsten zwei Jahre gesetzt:
- bis 2023 eine Verbesserung der Datenqualität der bereits erfassten Kategorien von Scope-3-Emissionen in Zusammenarbeit mit unseren Lieferant*innen
- bis 2023 die Einbeziehung der Daten zum Verpackungsmaterialverbrauch und den damit verbundenen Emissionen
- bis 2023 die Einbeziehung der Daten aller forstwirtschaftlichen Rohstoffe, die wir bei Greiner verwenden: Holz, Palmöl, Gummi, Soja
- bis 2023 eine Ausweitung der Datenerhebung auf die zugekauften Fertig- und Halbfertigprodukte
Der Anteil von Papier an unserem Gesamtmaterialverbrauch ist zwar zuletzt leicht gesunken, dennoch liegt unser Papierbedarf weiterhin bei knapp 10 Prozent und macht daher einen substanziellen Anteil aus. Wir haben uns daher vorgenommen, bis 2025 Papier für Sekundär- und Tertiärpackmittel aus FSC® oder forstwirtschaftlich gleichwertigen, zertifizierten Papier-Quellen zu kaufen.
Mehr Sekundärmaterialien statt Primärrohstoffe
Pilotprojekt: Den Kreislauf bei Suppenverpackungen schließen
Seit einiger Zeit testen wir bei Greiner Packaging unterschiedliche Recyclingmaterialien für die Herstellung unserer Karton-Kunststoff-Verpackungen. Zur Realisierung eines Testprojekts für Unilever verwenden wir beispielsweise ein zertifiziertes zirkuläres Polypropylen. Als Rohmaterial dienen vermischte Post-Consumer-Kunststoffe, die ansonsten verbrannt oder in Mülldeponien gelagert werden würden. Das zertifizierte zirkuläre Polypropylen aus dem TRUCIRCLE™-Sortiment von SABIC wird in seine molekularen Bestandteile zerlegt, um daraus neue Kunststoffe u.a. für recyclebare Wannen und Deckel zu gewinnen. Ziel des Projekts ist es, rund eine Million Knorr™ Trockenbouillon-Verpackungen aus 100 Prozent zirkulärem Polymer für Unilever herzustellen. Damit zeigen wir, welche Fortschritte mit Recyclingmaterialien im Lebensmittelbereich möglich sind.
Außerdem zeigen wir damit, dass wir die Entwicklung in Richtung Kreislaufwirtschaft auch in diesem Bereich konsequent vorantreiben. Das ISCC-Plus-zertifizierte Material stellt eine einfache Ersatzlösung für Kunststoffe auf fossiler Basis in der Verpackungsindustrie dar, ohne Produktreinheit und Lebensmittelsicherheit zu gefährden. Geeignet ist die Verpackungslösung für pulverförmige Lebensmittel, Cerealien, Tierfutter und diverse Non-food-Anwendungen. Nach dem Gebrauch können der Kartonwickel von den Konsument*innen einfach abgelöst und beide Verpackungsteile getrennt entsorgt werden. Die wiederverschließbare und spülmaschinenfeste Wanne ist aber auch nach Verbrauch des ursprünglichen Füllguts zur Aufbewahrung von Lebensmitteln verwendbar – eine sowohl in Privathaushalten als auch in der Gastronomie gerne gelebte, sehr nachhaltige Praxis. Damit nutzen wir nicht nur Sekundärmaterialien bei der Herstellung, sondern schaffen ein Produkt mit deutlich längerer Nutzungsdauer.
Nachwachsende Rohstoffe als Lösungsansatz
Die Suche nach neuen Materialien umfasst natürlich auch alternative Quellen. Hierzu gehören beispielsweise biobasierte Kunststoffe oder auch Schaumstoffe. Beide werden dann als biobasiert bezeichnet, wenn sie auf Basis nachwachsender Rohstoffe erzeugt werden. Klingt es vermeintlich verlockend, nachwachsende Rohstoffe zu nutzen, so gilt es, sich dies genau im Detail anzuschauen. Denn auch bei biobasierten Rohstoffen müssen die Umweltauswirkungen genau analysiert werden. Wie herausfordernd diese Umstellung auf tatsächlich nachhaltige Ausgangsmaterialien ist, zeigt nicht zuletzt die Debatte um die negativen Auswirkungen biobasierter Kunststoffe.
„Die Kolleg*innen der NEVEON nutzen beispielsweise Rizinusöl als biobasiertes Ausgangsmaterial: Unsere Produkte der EMC verde-Serie bestehen zu rund
20 Prozent aus einem nachwachsenden Rohstoff.“
Das Umweltbundesamt in Deutschland zeichnet in puncto biobasierte Materialien ein kritisches Bild: „Aus vergleichenden Ökobilanzen einfacher Gegenstände und Verpackungen wissen wir, dass sich die Umweltauswirkungen nicht wesentlich verbessern, wenn die Rohstoffe bio- statt fossilbasiert sind. Die Auswirkungen verschieben sich eher: Während konventionelle fossilbasierte Kunststoffe mehr klimawirksames CO2 freisetzen, äußert sich der ökologische Fußabdruck biobasierter Kunststoffe in einem höheren Versauerungs- und Eutrophierungspotenzial sowie einem gewissen Flächenbedarf. Grund ist die landwirtschaftliche Produktion der Rohstoffe. Es kann zu Konkurrenz um Flächen mit der Lebensmittelproduktion kommen oder Ausgleichs- und Waldflächen können weniger werden.“ Nichtdestotrotz lassen wir nichts unversucht. Die Kolleg*innen der NEVEON nutzen beispielsweise Rizinusöl als biobasiertes Ausgangsmaterial: Unsere Produkte der EMC verde-Serie bestehen zu rund 20 Prozent aus Rizinusöl, das direkt von der Pflanze kommend, ohne weitere Verarbeitungsschritte eingesetzt werden kann. Andere NOPs (Natural Oil Polyols) auf Soja-, Palmöl- oder Rapsöl-Basis müssen hingegen vor ihrem Einsatz aufwändig chemisch modifiziert werden, was den Nachhaltigkeitswert massiv einschränkt. Dass Rizinusöl kein Nahrungsmittel ist, macht es auch in Hinblick auf die Nahrungsmittelsicherheit zu einem ethisch einwandfreien Rohstoff für nachhaltige industrielle Verwendungen.
„Mit unseren zahlreichen r-PET-Initiativen machen wir deutlich, dass die Zukunft bei Greiner Packaging im verstärkten Einsatz von Rezyklaten liegt.“
Mehr Sekundärmaterialien statt Primärrohstoffe
Milchverpackungen: Recyclingmaterial im Hochtemperatur-Stresstest
Auch wenn es uns in Teilen gelingt, ist die Herstellung von Verpackungen aus Recyclingmaterial für die Lebensmittelindustrie eine Herausforderung. Mit ihren sehr hohen Anforderungen, was Qualität und Reinheit der Materialien und damit der Verpackungen betrifft, stellt dieser Industriebereich eine besondere Aufgabe für uns dar. Hier kommt der allgemein bekannte Kunststoff PET ins Spiel, da er sehr verbreitet und damit für Recycling gut verfügbar ist. Aufgrund seiner Materialeigenschaften war er jedoch bislang gerade für Molkereiverpackungen nur bedingt brauchbar. Hier gibt es spezielle Anforderungen aufgrund der notwendigen Hochtemperatursterilisation mit Temperaturen bis zu 120 Grad Celsius, denen das verwendete Material standhalten muss. Mit erfolgreichen Tests zum Einsatz von recyceltem PET (r-PET) bei Verpackungen für Molkereiprodukte konnte Greiner Packaging seine Materialkompetenz erneut unter Beweis stellen. r-PET ist derzeit das einzige lebensmittelzugelassene Recyclingmaterial, während sich weitere Recycling-Kunststoffe wie r-PS und r-PP noch in der Test- bzw. Zulassungsphase befinden. Ziel ist es, dass Molkereien keine Änderungen im Abfüllprozess vornehmen müssen, wenn sie Recyclingmaterial einsetzen.
Hier arbeiten wir bei Greiner Packaging gemeinsam mit Molkereien intensiv an einer Lösung und man darf auf weitere Testergebnisse gespannt sein. Zudem arbeiten wir gerade intensiv daran, eine Alternative zum PET-Flaschen-Strom zu sichern, d.h. anderes Recyclingmaterial aus verschiedenen Quellen zu beschaffen. Damit r-PET für Lebensmittelverpackungen zugelassen wird, muss das Material zu mehr als 95 Prozent aus einem Stoffstrom stammen, der bereits für Nahrungsmittelanwendungen verwendet wurde. Außerhalb des Lebensmittelbereichs ist auch der Einsatz von recycelten Polyolefinen erlaubt – das Material wird vor allem bei Kunststoffpaletten eingesetzt. Gemeinsam mit unserem Kunden und Markenhersteller Henkel haben wir eine Verpackung entwickelt, die 50 Prozent Post-Consumer-PP-Abfälle beinhaltet. Hier setzen wir nicht nur Kunststoff-Rezyklat ein, sondern auch 40 Prozent weniger Material im Vergleich zur vorherigen Verpackung. Die Jury der World Packaging Organisation hat diese Verpackungsinnovation mit dem Worldstar Global Packaging Award 2021 ausgezeichnet.